Ernst Freiherr                         Liebe

von Feuchtersleben

Sonette müssen, seit Petrarka sang,

Vom holden Mithrasdienst die Liebe klingen;

Und könnte Jeder wie Petrarka singen,

Nie endete der wonnevollste Klang.

 

Allein, wie manches Herz, im schönen Drang,

Regt, ach! vergebens allzuzarte Schwingen;

Darf auch das Wort in jene Räume dringen,

In die ein liebendes Gemüth sich schwang?

 

So weih’ ich denn, statt vieler, dies Gedicht

Mit frommer Scheu den Liebenden im Stillen,

Daß sich die laute Welt an sie erinn’re;

 

Und doch, ich irre! Sie bedürfen’s nicht,

Und ich vermag’s nicht bei dem reinsten Willen,

Denn nie zum Äußern wird das wahrhaft Inn’re.

 

 

 

 

Ernst Freiherr

von Feuchtersleben

Schön sind und bunt ergötzlich die Sonette,

In denen sich Gefühle und Gedanken

Viermal, in rhythmisch anmuthvollen Schranken

Genau abschließen wie das Feld im Brette.

 

Doch dieser abgezirkelteren Glätte

Zieh’ ich es vor, wenn ohne Zwang und Schranken

Sich Blüth’ und Blüthe an einander ranken

Zur lieblichsten, ununterbroch’nen Kette.

 

Mir scheint dies freundliche Geschenk der Musen

Dazu bescheert, um, während wir genießen,

Ein rein Gefühl, ein plötzlich angefachtes,

 

Ein zartes Lebensbild, ein wohldurchdachtes,

In dies geründete Gefäß zu schließen:

Vielleicht nimmt es ein Freund an seinen Busen.